Unerwartet

                                                                                                                                                                                                                   2019

 

 

 

Es war einer dieser Momente, in den ich Morgens viel zu spät für einen ambitionierten Fotografen aus den Federn kam. Den Tag zuvor prüfte ich noch die Wetterprognose und dachte bei mir, vielleicht kann ich morgen länger schlafen, denn die letzen Tage war ich schon sehr früh vor Sonnenaufgang unterwegs.

 

Ich drehte mich in meinem umgebauten Kombi um - und schaute noch ein Weile in die Ferne der sternklaren Nacht, während ich immer weiter mit meinen Gedanken davon schweifte und allmählich das Land der Träume erreichte.

Ich liebe es auf diese Art und Weise unterwegs zu sein - nicht immer wissend, was als nächste geschieht, ist ein Hauch von Abenteuer, das mich wieder und wieder auf denn Weg bringt - und manchmal unkomfortable Situationen auf Reisen entspannter annehmen lässt. Denn im eigenen Bett ist auch ganz schön!

 

Morgens dann mit einem halben Auge nach draußen schielend, entdeckte ich überall Nebel. Mich durchzuckte sofort dieses "Verdammt-Gefühl", was man bekommt, wenn man denkt, eine Gelegenheit verpasst zu haben.

Ich atmete eine Banane und einen Müsli-Riegel ein und versuchte so schnell wie möglich, von meinem Standort an den Strand SPO zu gelangen.

Fotografisch mit Nebel arbeiten, ist etwas spannendes für mich. Allerdings, war es leider nicht vorauszusehen und brachte den Kreislauf direkt in Wallung. Da ich immer gut organisiert bin was mein Equipment angeht, konnte ich, angekommen am Parkplatz des Strandes, direkt in die Szenerie starten.

 

Der Nebel war sehr üppig und dicht - und brachte sehr interessante Impressionen hervor. So wanderte ich dann - denn Schrecken des Aufwachens langsam überwindend - Stunden den Strand auf und ab und schaute dem sich immer wieder lichtendenden und wiederkehrenden Nebel zu und versuchte, hier und da etwas zu gestalten. Durch die Bewegung des Nebels entsteht Kreativität gemischt mit Ideen die man irgendwann mal vor dem geistigen Auge gesehen hat.

 

Gelegentlich dachte ich dann zwischendurch, das ich gerne den Sonnenaufgang und die Dämmerungsphase mitgenommen hätte, denn in mir schlummerten auch noch weitere Ideen. Allerdings musste ich diese Gedanken nun aber loslassen, da sich darüber ärgern nichts brachte und mich nur von dem Zauber ablenkte, der sich vor mir ereignete.

Ich entschied mich daraus gelernt zu haben und bewegte mich weiter an diesem schönen Strand mit seinen Pfahlbauten und suchte nach weiteren Impressionen. 

 

Irgendwann, nach stundenlangen hin und her wandern an solch großen Strand, packt einem auch mal die Müdigkeit und es wurde Zeit für eine Pause. Die machte ich dann indem ich auf dem sehr langen Laufsteg der Strandbar ein wenig entlang-schlenderte, um Körper und Geist zu entspannen. Ich hatte alle meine Kameras und den kleinen Rucksack abgelegt, um das Gewicht vom Equipment zwischendurch mal los zu sein. 

Der eine oder andere fotografisch Tätige unter euch, wird sicher wissen was ich meine. Equipment wird nicht leichter mit der Zeit.  

 

Als ich dann ein paar Meter weiter zur Ruhe komme, freudig in die gesamte Szenerie das Strandes schaue - spüre ich eine tiefe Dankbarkeit, Teil dieses schönen Momentes zu sein - den mir die Natur an diesem Vormittag schenkt.   

Versunken in meinen Gedanken und die Impressionen um mich herum genießend, bemerkte ich plötzlich diesen joggenden Läufer am Strandteil hinter mir. Es machte sofort klick bei mir, als ich merkte, worauf das hinauslaufen könne. 

Allerdings stellte ich dann mit Schrecken fest - der mich von Kopf bis Fuss durchfuhr - das meine Kameras viel zu weit weg lagen, als das ich sie rechtzeitig hätte erreichen können. 

 

Also blieb mir nur eine Option. Ich nahm das Smartphone und versuchte mein Glück. 

 

Nachdem der Läufer unter dem Steg durch war und sich durch das Bild sein Weg bahnte, um sich dann irgendwann im Nebel am Horizont aufzulösen, war ich heilfroh das ich ein Handy bei mir hatte. 

 

Gott sei Dank, dachte ich … 

 

Als ich dann später am Laptop saß, um zu schauen, was daraus entstanden ist, ließ ich mir die Geschichte des erlebten durch den Kopf gehen und wanderte in meinen Gedanken herum, im dem Versuch,  zu verstehen was mir diese Erfahrung mitteilen kann. 

Eines erschien mir dabei sehr klar, Fotografie ist mehr als nur auf einen Auslöser drücken und sich hinter her freuen zu können, das man etwas im Kasten hat. 

Es ist ein Prozess des Seins - für etwas unerwartetes offen zu sein, das man vorher nicht erahnt. 

Das ist, was Fotografie unter anderem für mich bedeutet - sich hinzugeben und das Ergebnis nicht immer voraussehen zu können - und Teil eines kreativen Momentes zu sein.

 

Zwischen Licht und Schatten etwas zu entdecken - was vielleicht sonst ungesehen bliebe. Denn es ist ein einzigartiger Moment, der so auf die Art und Weise nie wiederkehren wird. 

Wann kommen schon mal alle Elemente, die sich so in einem Bild  darstellen, so in einem Moment zusammen. Vor allem mit dieser erstaunlichen Form des ablaufenden Wassers  - ein Verlauf, der mit dem Läufer, einem perfekten Timing und der Spiegelung eins wird. 

 

Vielleicht ist das - wenn man so will - die Moral der Geschichte oder der Kern dieser Erfahrung, das etwas starkes entstehen kann, wenn wir uns wirklich auf den Moment einlassen. Fernab von unseren erlernten Skills scheint es etwas zu geben, das wir nie wirklich Planen können. 

 

Es entsteht einfach in dem Moment - wenn wir zum Teil dieses Momentes werden. 

 

 

 

Martin D. Winter